Es ist eine Tat, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Am Nachmittag des 3. Mai 2023 spazierte Berhan S. mit einem Küchenmesser bewaffnet auf den Schulhof der Evangelischen Schule an der Mainzer Straße in Neukölln – und stach dort unvermittelt mehrfach auf zwei spielende Mädchen (7 und 8 Jahre) ein.
Beide Schülerinnen erlitten durch die Stiche an Armen, dem Bauch und sogar am Hals so schwere Verletzungen, dass sie nur noch durch Not-Operationen gerettet werden konnten. Der Messerangreifer selbst stellte sich noch am Tatort der Polizei und befindet sich seitdem in der Psychiatrie des Maßregelvollzugs. Am 12. Dezember fand der Prozessauftakt statt – BERLIN LIVE war zum Termin vor dem Berliner Landgericht ebenfalls vor Ort.
Berliner Täter leidet an psychischer Erkrankung
Mit gesenktem Blick und einer Corona-Maske im Gesicht nahm Berhan S. hinter seiner Verteidigerin Pamela Pabst in der extra vorgesehenen Absperrung der Justizbediensteten Platz. Selbst das Vorlesen der Anklageschrift ließ den 38-Jährigen kein einziges Mal aufblicken – dabei heißt es darin sogar, dass S. „im Zustand der Schuldunfähigkeit“ gehandelt habe und an einer paranoiden Schizophrenie leide.
Gutachter Dr. Torsten Seelig ließ mit seiner Zeugenaussage sogar einen noch tieferen Einblick in die Gedanken des Beschuldigten zu. So soll sich das Leben von S. bereits im Laufe seines 21. Lebensjahres verändert haben: Seine damalige Beziehung ging in die Brüche, Freunde wandten sich ab – der gebürtige Berliner stürzte in ein Tief voller Depressionen. Dann tauchten plötzlich diese Stimmen in seinem Kopf auf.
Berlin: Gutachter führte Gespräch mit Beschuldigtem
„Die Stimmen haben ihn angesprochen, ihn für etwas Besonderes gehalten. Dann sei die Stimmung plötzlich gekippt und die Stimmen sind hinterhältig geworden“, schilderte der Gutachter seine Notizen aus einem Gespräch mit dem Angeklagten, das kurz nach der Messer-Attacke stattgefunden hat. Es soll von mindestens 50 verschiedenen Stimmen die Rede gewesen sein. Der Beschuldigte habe sie als Geister beschrieben, die sich „gegenseitig in seinem Kopf bekriegt haben“ sollen und offenbar auch seinen Körper steuern könnten.
Die Wahnvorstellungen gingen so weit, dass die Stimmen S. befohlen haben sollen, bestimmte Taten auszuführen – andernfalls müsste er um das Leben seiner Mutter fürchten. „Er sei dann zur Schule gegangen, damit es aufhört“, erzählte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie anhand seiner Unterlagen. An die Tat selbst könne sich S. nicht mehr erinnern. An der Videovernehmung der Polizei wollte er nicht teilnehmen. „Es ist alles sehr schwer für ihn zu ertragen. Er könne auch selbst noch nicht begreifen, was da passiert ist“, so die Anwältin des Angeklagten.
Berliner Polizist: „Er sah heruntergekommen aus“
Für den zweiten geladenen Zeugen an diesem Tag – einen Polizeibeamten – dürfte der Vorfall ebenso prägend gewesen sein. Der Polizist war als einer der ersten am Tatort und nahm S. fest, der sich zu diesem Zeitpunkt einfach in die Reihe weiterer Passanten auf dem Schulhof eingereiht hatte. Dem Beamten fiel der Beschuldigte dennoch sofort ins Auge: „Er sah heruntergekommen aus. Seine Kleidung war alt und etwas verdreckt.“ Die Tatwaffe, ein rund 26 Zentimeter langes Küchenmesser mit zwölf Zentimeter Klinge und hölzernem Griff lag nur wenige Meter entfernt auf dem Boden.
Zur Veranschaulichung hatte der Vorsitzende die Tatwaffe sogar aus der Asservatenkammer holen lassen – so war jedenfalls die Vermutung. Beim Öffnen des braunen Umschlags mit Handschuhen kam aber plötzlich ein ganz anderes Messer zum Vorschein – eines mit scharfer Klinge und schwarzem Griff. „Das ist das Falsche“, kommentierte der Richter und legte das Beweisstück schnell zur Seite. Ohne einen weiteren Kommentar wurden anschließend die „richtigen“ Aufnahmen der Tatwaffe aus dem digitalen Archiv auf den Bildschirm im Gerichtssaal projiziert.
Schülerinnen kämpften nach Messer-Attacke um ihr Leben
Während beim Anblick des Messers samt Blutspuren an der Spitze bei dem Polizei-Zeugen „gar nix klingelt“, konnte er sich an die beiden Mädchen noch genau erinnern: „Das eine war schon komplett blass, kaum ansprechbar – das Blut war schon fast komplett aus dem Körper.“ Szenen, die der Beamte so schnell nicht vergessen kann, wie er im Anschluss gegenüber BERLIN LIVE versicherte. Auch wenn er nach seiner Aussage aus dem Zeugenstand entlassen wurde, möchte er den Fall weiter verfolgen und blickt dem Urteil gespannt entgegen.
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Und auch die Schwester des Angeklagten hatte vor, den Prozess von Beginn an zu verfolgen. Da sie allerdings selbst noch aussagen wird, wurde sie direkt am Anfang vom Richter des Saales verwiesen. Am kommenden Donnerstag (14. Dezember) findet allerdings die Fortsetzung statt. Dann kann die junge Frau ihrem Bruder unterstützend zur Seite stehen – und zwar als Zeugin mit Details über die gemeinsame Kindheit und das familiäre Verhältnis des Angeklagten.