Sie ist Deutsch-Palästinenserin, er ist deutscher Jude mit israelischen Wurzeln. Gemeinsam gehen sie an Schulen in Berlin und Nordrhein-Westfalen und sprechen dort mit Schülern und Lehrern über den Krieg in Israel und Gaza.
Seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Überfalls der Hamas auf Israel, können sich Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann vor Anfragen kaum retten. Im Interview mit BERLIN LIVE erzählen sie, warum ihre Arbeit so wichtig ist.
Berlin und der Krieg in Israel: Aktivisten durch Vergangenheit vereint
Jouanna ist im Alter von sechs Jahren als Tochter palästinensischer Flüchtlinge aus dem Libanon nach Deutschland geflohen. Heute ist sie die Geschäftsführerin von „Transaidency e.V.“, einem humanitären Bildungsverein mit Sitz in Berlin. Sie setzt sich seit Jahren gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus ein.
Shai ist der Sohn israelischer Eltern. Er ist Sozialunternehmer, Aktivist und Geschäftsführer von „Die Gesellschaft im Wandel„, einem gemeinnützigen Verein, der durch innovative und konstruktive Projekte den gesellschaftlichen Diskurs antreiben möchten. Auch er arbeitet und lebt in Berlin.
Seit des Angriffs der Hamas auf Israel arbeiten sie gemeinsam für das Projekt „Trialog– Israel & Palästina“, gehen dabei mit Jugendlichen und Lehrern an Schulen ins Gespräch. Beide sind mit dem Nahost-Konflikt aufgewachsen und hoffen aufgrund ihrer palästinensischen und israelischen Wurzeln, jungen Menschen diesen Konflikt nahebringen zu können.
Im Zentrum der Trialoge, die ab der achten Klasse angeboten werden, steht deshalb nicht die Historie des Konflikts. Vielmehr wird den Schülern einen Raum für ihre Gedanken und Gefühle geboten, um in einen gemeinsamen Dialog zu gehen.
Berlin und der Krieg in Israel: „Viel Unwissen darüber, was eigentlich ist“
„Was wir erleben, sind einerseits Lehrkräfte, die unsicher sind und viel Unwissen darüber haben, was da eigentlich ist. Vielleicht auch Angst haben, diese Thematik überhaupt anzusprechen, weil sie nicht wissen, wie man mit gewissen Aussagen hantiert“, erzählt Hoffmann gegenüber BERLIN LIVE.
Die Aktivisten haben deshalb eine Handreichung für Lehrer verfasst, die ihnen Methoden, notwendige Materialien und Hintergrundinformationen liefern und als Bildungsmaterial für den Unterricht dienen sollen.
„Wir sind an einem Scheidepunkt der Gesellschaft“
Auch Berliner Schüler hätten sich immer wieder gewünscht, auch historischen Kontext zum Nahost-Konflikt zu lernen. Oftmals würde die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte im Geschichtsunterricht mit dem Ende des Holocausts enden – laut Shai Hoffmann ein großes Problem. „Ich glaube, es braucht mehr! Weil wir merken gerade, dass dieses Thema den Lehrer:innen und Pädagog:innen um die Ohren fliegt. Vielleicht brauchen wir auch nochmal einen stärkeren Fokus darauf, die Thematik Nahost-Konflikt wirklich fest zu verankern im Schullehrplan“, sagt er.
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Auf die Frage von BERLIN LIVE, wie es den beiden selbst aktuell geht, antwortet Hassoun, es gehe ihr nicht gut: „Wir sind an einem Scheidepunkt der Gesellschaft, wo wir uns überlegen müssen: Wie wollen wir leben?“ Eine Frage, die sich nicht nur an die Jugendlichen richtet und die Arbeit von Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann so wichtig macht.