Allein im August gab es in Berlin zwei vollendete Tötungsdelikte gegen Frauen – in Zehlendorf und Lichtenberg. Ein weiterer Versuch in Reinickendorf ist dagegen gescheitert.
Aus Sicht von Kristin Fischer, Koordinatorin im Bereich Gewaltschutz und Polizeiliche Intervention bei der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen, kann das nicht so weitergehen. Im Gespräch mit BERLIN LIVE formuliert sie konkrete Forderungen.
Berlin: Expertin sieht rot
Ob nach einem größeren Streit oder im Zuge einer Trennung: Frauen in Berlin werden immer wieder Opfer ihrer (Ex)Partner. Sei es durch die Hand, ein Messer oder eine Schusswaffe. In vielen Fällen endet es für die Betroffenen tödlich. In diesem Fall spricht man von einem Femizid.
„Der Begriff bezeichnet die vorsätzliche Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts oder gewissen Vorstellungen von Weiblichkeit“, erklärt Kristin Fischer.
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Letzteres könne zum Beispiel dann der Fall sein, wenn eine Frau über die Straße läuft und ihr Erscheinungsbild nicht in das Bild einer Frau passe, das ein männlicher Beobachter hat.
Meist zeigen sich laut der Expertin bereits vorher verschiedene Eskalationsstufen der Gewalt, vor allem in Beziehungen. Die Kontrollansprüche des Mannes werden dabei immer größer. Darauf folgt häufig die Beruhigungsphase, in der es auch nicht unüblich ist, dass sich der Täter entschuldigt und alles wieder gut machen möchte. Aus Sicht der Frau scheint dann Entspannung einzukehren, doch in Wahrheit planen die Täter in dieser Zeit häufig bereits den Mord, erklärt die Berlinerin.
„Wir brauchen keine Symbolpolitik, wir brauchen Maßnahmen“
Genau deshalb sei es laut Fischer so wichtig, Frauen immer Glauben zu schenken, wenn sie von Bedrohungen sprechen. „Es gibt Studien die zeigen, dass Opfer eher unter- als übertrieben. Deshalb ist es so wichtig, sie ernst zu nehmen, wenn sie von Bedrohungen berichten.“
Um Frauen besser zu schützen ist aber nicht nur die Zivilgesellschaft gefragt. Auch die Politik müsse handeln. Los geht das bei der „Fortbildung verschiedener Berufsgruppen, um intervenieren zu können.“ Dazu zählen Polizeikräfte, Mitarbeitende im Gesundheitswesen aber auch im Jobcenter, den Jugendämtern und Schulen. Im Grunde „an allen Stellen, an die sich Frauen wenden könnten, und Orte, an denen Kinder sind“, erklärt Fischer gegenüber BERLIN LIVE.
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Gerade für Kinder wäre deshalb auch die entsprechende Bildung in der Schule wichtig, beispielsweise durch Selbstverteidigungskurse aber auch, indem man sie über ihre Recht aufklärt und ihnen beibringt, tradierte Rollenbilder zu hinterfragen.
Laut der Koordinatorin in Berlin ist es aber ebenso wichtig, gesamtgesellschaftlich mehr Maßnahmen zu ergreifen. Das gehe zum Beispiel durch eine konsequente Strafverfolgung, Täterprogramme zur Prävention sowie den Ausbau von Beratungsstellen und Schutzplätzen.
Den beiden Frauen und Berlin-Zehlendorf und Lichtenberg hätte das vielleicht helfen können. Bei beiden war häusliche Gewalt bereits im Vorfeld ein Thema. Hätte die Polizei die Gefährdung anders eingeschätzt und die Möglichkeit zu einer interdisziplinären Fallkonferenz gehabt, um einen Sicherheitsplan zu erstellen, könnten die Frauen jetzt vielleicht noch leben. Kristin Fischer fordert deshalb: „Wir brauchen keine Symbolpolitik, wir brauchen Maßnahmen.“