Die Klimaaktivisten der Letzten Generation fallen immer wieder mit ihren Aktionen in der Hauptstadt auf. Neben Straßenblockaden gehören auch Farbangriffe auf Berliner Gebäude und Wahrzeichen zu ihren bevorzugten Strategien.
Am 31. Oktober kam es erneut zu einer Farbattacke, diesmal am Kanzleramt. Ein Zivilpolizist griff ein und beschmierte zwei Mitglieder der Gruppe selbst mit Farbe. Dabei gingen er und weitere Polizeibeamte äußerst aggressiv vor und wandten teilweise massive Gewalt gegen einzelne Demonstranten an. Doch was können Betroffene tun, wenn sie Polizeigewalt erfahren? BERLIN LIVE hat bei einem Menschenrechtsexperten nachgefragt.
Polizeigewalt gegen Letzte Generation: Gewerkschaft verteidigt Verhalten
Der brutale Polizeieinsatz bei der Farbattacke aufs Bundeskanzleramt sorgte für einen regelrechten Aufschrei in den sozialen Medien. Die Klimaaktivisten, aber auch viele Berliner zeigten sich schockiert von der Gewalt, die bei den Festnahmen zum Einsatz kam.
Die Gewerkschaft der Polizei verteidigt die Maßnahmen der Polizisten dennoch vehement und weist darauf hin, dass die Letzte Generation bewusst versuche, Fehlverhalten der Polizei in Videos festzuhalten.
„Es steht außer Frage, dass die Letzte Generation ganz gezielt bestimmte Bilder erzeugen möchte, um den Rechtsstaat zu diskreditieren“, erklärte der GdP-Sprecher Benjamin Jendro.
Polizeigewalt: Was kann ich tun?
Das Vorgehen der Polizei gegen die Aktivisten und die Reaktion der Polizei-Gewerkschaft geben zu denken. Doch wer bei einem Einsatz von der Polizei verletzt wird, hat grundsätzlich das Recht, Anzeige gegen die Beamten zu erstatten, so Eric Töpfer, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Davon rät der Experte aber eher ab. Das Risiko „einer Gegenanzeige wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt“ sei laut vielen Anwälten zu groß.
Verfahren gegen Polizisten meist aussichtslos
Die Chancen, dass es nach einer Anzeige zum Prozess kommt, sind gering. Dass es in der Folge eines Prozesses zu einer Verurteilung kommt, sei noch unwahrscheinlicher. Über 90 Prozent der Strafverfahren gegen Polizeibeamte werden laut Töpfer wieder eingestellt. Nur etwa ein Drittel der Fälle, die vor dem Gericht landen, enden mit einer Verurteilung.
Die Gründe sind vielfältig: Die Beweislage ist oft schwierig, die Ermittlungsarbeit weist Mängel auf und im Prozess stehen Aussagen von Polizisten denen der Betroffenen gegenüber. Außerdem schenkt die Justiz den Aussagen der Polizei meist mehr Vertrauen.
Unabhängige Beschwerdestellen – Die Lösung?
Das Problem ist ein Fehlen neutraler Beschwerdestellen. Die in diesen Fällen ermittelnden Institutionen sind oft nicht unabhängig von der Polizei. Konkret betrifft das die Staatsanwaltschaft, die abhängig von Polizeiarbeit ist, aber auch die im Innenministerium angesiedelten Polizeibeschwerdestellen, das unter anderem von ehemaligen Polizisten besetzt ist. Unabhängige Beauftragte der Landespolizei, wie es sie in einigen Bundesländern bereits gibt, können nicht selbst ermitteln, sondern lediglich Empfehlungen aussprechen.
Eine Lösung könnten unabhängige Polizeibeschwerdestellen sein. Diese gibt es zum Beispiel in Dänemark. In Deutschland wurden solche Stellen bereits in Bremen, Berlin und Brandenburg eingerichtet. Pläne dazu gibt es auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. In Hessen wurde Ende 2020 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, die passende Stelle aber noch nicht besetzt.
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Eine Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte, die am 07. November öffentlich wurde, empfiehlt, den Polizeibeauftragtenstellen umfassendere Befugnisse zu geben. Um aber eine unabhängige Strafverfolgung zu gewährleisten, müsste es zudem auch polizeiexterne Ermittlungsstellen geben, die nicht nur Missstände aufdecken, sondern selbst bei Polizeidelikten ermitteln könnten.